Dass der Name Friedrich Schillers untrennbar mit der Stadt Jena verbunden ist, wird nicht allen Besucher*innen auf den ersten Blick ersichtlich. Zwar steht im Schillergäßchen sein Gartenhaus, lässt sich am Universitäts-Hauptgebäude seine Büste entdecken und kann in Wenigenjena die Kirche besucht werden, in der er im Jahr 1790 Charlotte von Lengefeld heiratete. Jedoch fehlen markante Hinweise darauf, dass der Dichter und Denker in seinem ›Jenaer Jahrzehnt‹ (1789 bis 1799) einen maßgeblichen Einfluss auf das geistige Leben seiner Zeit und seines Ortes übte.
Nach der Berufung an die Universität bezog Schiller sein erstes Quartier in der Jenergasse 26, in der sogenannten ›Schrammei‹. Den Auftakt seiner Lehrtätigkeit bildete die Antrittsvorlesung »Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?«. Mit deren titelgebender Frage forderte Schiller nicht nur seine studentischen Zuhörer im größten Hörsaal der Stadt, im Griesbachschen Auditorium, auf, sich über die gewählte wissenschaftliche Disziplin der Geschichte zu vergewissern und deren Erkenntniswert zu reflektieren. Die Geschichtswissenschaft gewinnt ihrem Ausgangspunkt ganz vom gegenwärtigen Beobachter und dessen Fragen. Historisch relevant ist, was »auf die heutige Gestalt der Welt und den Zustand der jetzt lebenden Generation einen wesentlichen, unwidersprechlichen [...] Einfluß« hatte. Schiller war findig genug, die historischen Studien sogleich in sein umfänglichstes historiographisches ›Lehrwerk‹ einfließen zu lassen, in seine »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs« (1792). Gegen Ende der 1790er Jahre griff er den geschichtlichen Stoff schließlich nochmals auf, als er seine dreiteilige »Wallenstein«-Tragödie gestaltete.
In die erste Phase von Schillers Jenaer Jahren fiel auch seine ausgiebige Auseinandersetzung mit der Philosophie Immanuel Kants, insbesondere mit dessen Ästhetik. Auf der Grundlage seiner im Briefwechsel mit dem Freund Christian Gottfried Körner entwickelten ›Philosophie des Schönen‹ entstanden seine an den Prinzen von Augustenburg gerichteten philosophisch-ästhetischen Briefe, die Schiller 1795 in bearbeiteter Form unter dem Titel »Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen« veröffentlichte. Dieser Aufsatz, der die produktiven Wirkungsweisen der zentralen ästhetischen Kategorien des Schönen und des Erhabenen analysiert, wurde von einer Reihe weiterer kunsttheoretischer Essays flankiert, die Schiller in seinen Zeitschriften »Neue Thalia« und »Die Horen« publizierte.
In dieser Zeit bewohnte er zunächst von April bis August 1793 eine Gartenwohnung in der Zwätzengasse, bevor er nach der Rückkehr von der Schwabenreise in die Mitte der Stadt zog. Unweit seiner Wohnung Unterm Markt 1 fand im Juli 1794 die folgenreiche Begegnung mit Goethe statt, die dieser im Nachhinein als »Glückliches Ereignis« qualifizierte. Im Rahmen der fruchtbaren Zusammenarbeit beider Dichter wurden nicht nur Schillers Werke diskutiert – wie z.B. sein Drama »Wallenstein« – und Goethes literarische Arbeiten besprochen – wie z. B. dessen Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre«. Zum Thema der intensiven Auseinandersetzung wurden von Anfang an auch Methode und Darstellung der Naturforschung. Im April 1795 siedelte Schiller in das Griesbachsche Haus am Löbdergraben über, in dem er gemeinsam mit Goethe die »Xenien« verfasste, einen literarischen Generalangriff auf die Dichter und die Literaturproduktion in der Zeit um 1800.
Der zentrale Ort der literarisch-freundschaftlichen Kooperation mit Goethe war Schillers »Gartenhaus«, das er im Frühjahr 1797 erwerben konnte. Im ehemaligen Haus und Garten des Rechtsprofessors Johann Ludwig Schmidt debattierte er mit Goethe und empfing auch auswärtige Besucherinnen und Besucher. Hier entstanden Schillers große Balladen wie »Der Handschuh«, »Die Kraniche des Ibykus« oder »Die Bürgschaft«, die Eingang in seine »Musen-Almanache« fanden. Nach dem Abschluss des »Wallenstein« mit der berühmten Leseanweisung des Prologs begann Schiller mit der Ausarbeitung seiner »Maria Stuart«, beendete die Tragödie aber erst in Weimar, wo er vor allem wegen der Nähe zum dortigen Hoftheater seine letzten Lebensjahre verbrachte.